Auftragsabwicklung
Die Auftragsabwicklung ist eine komplexe Abfolge von Aktivitäten, die erforderlich sind, um einen Kundenauftrag komplett zu bearbeiten. Heute wird diese Abfolge in der Praxis oft auch als „Order Process" oder „Order to Payment"-Prozeß bezeichnet. Diese reicht von der Übermittlung des Auftrages vom Kunden an das Unternehmen bis hin zur Vergütung des Leistungsentgelts nach der Erfüllung des Auftrages. Davon abzugrenzen ist die der Auftragsabwicklung vorausgehende Anfrage- und Angebotsbearbeitung. Einbezogen in die Auftragsabwicklung ist typischerweise sowohl die administrativ-kaufmännische Bearbeitung des Auftrages wie auch die technisch-operative Umsetzung der Kundenanforderungen in die erwartete Problemlösung im Verlauf der Beschaffung, Fertigung und Auslieferung über alle Handelsstufen. Letztere wird in der Praxis häufig als „Fulfilment Process" bezeichnet. Infolge der zentralen Bedeutung dieser Abläufe für Kosten und Kundenzufriedenheit rückt die Gestaltung und Optimierung der Auftragsabwicklung bzw. des „Order to Payment"-Prozesses in den Mittelpunkt der betrieblichen Rationalisierungsbemühungen. Ein Kundenauftrag stößt in einem Unternehmen eine Reihe miteinander verwobener Aktivitäten an bzw. wird in ein System laufender Flüsse eingespeist.
Die Auftragsabwicklung beginnt mit dem Komplex der administrativ-kaufmännischen Bearbeitung des Auftrages (Order Flow). Der übermittelte Kundenauftrag wird nach einer Reihe von Prüfungen (Vollständigkeit und Richtigkeit der Daten, technische und terminliche Machbarkeit, Kreditwürdigkeit des Auftraggebers, etc.) in das Auftragsabwicklungssystem eingelastet. Dem papiermäßigen Auftragsfluss folgt der Warenfluss (Physical Fulfilment Flow). Die technisch-operative Auftragsabwicklung ist dafür verantwortlich, den Auftrag den Vorgaben entsprechend zu produzieren und an den Kunden auszuliefern. Das schließt die Prozesse, Beschaffung, Produktion sowie je nach Stufigkeit des Distributionssystems einen oder mehrere Lager- und Tansportprozesse sowie die physische Auslieferung an den Kunden ein. Nach der Auslieferung erfolgt die Rechnungsstellung, die den Zahlungsfluss initiiert (Payment Flow). Die Warenbewegungen verändern die Bestandssituation im Unternehmen. Dementsprechend ist die —* Materialbedarfsplanung zu aktualisieren.
Die Systeme zur Planung, Prognose und Protokollierung der Kundennachfrage sind ebenfalls zu ergänzen („Supply Chain Control Information Flow"). — In Abhängigkeit der Lage des Entkopplungspunktes zwischen Kundenauftrag und Fertigungsauftrag können zwei grundsätzliche Typen der Auftragsabwicklung und damit unterschiedliche Grade der Eindringtiefe des Kundenauftrages in die Planungswelt des Unternehmens unterschieden werden. Wird der „Physical Fulfilment Flow" in Gang gesetzt bzw. dessen Parameter umgeplant, um einen speziellen Kundenauftrag zu erfüllen, spricht man von einer Auftragsfertigung bzw. von einer bedarfsgetriebenen Auftragsabwicklung. Die Auftragsfertigung beschafft das Fertigungsmaterial auftragsbezogen, lastet die Fertigungskapazitäten auftragsbezogen aus, steuert die Montage auftragsbezogen und schleust das fertige Produkt auftragsbezogen durch alle Stufen des Distributionssystems bis zur Auslieferung an den Kunden. Die Eindringtiefe eines solchen Auftrages in die betrieblichen Planungs- und Steuerungsvorgänge ist bei weitem höher als bei der anonymen Auftragsabwicklung. Die anonyme Auftragsaufträgen prognosegetrieben in die Fertigung eingeschleust und auf Lager produziert werden. Entgegen der Auftragsfertigung wird der „Physical Fulfilment Flow" hier verbrauchsorientiert, d. h. prognosegetrieben in Gang gesetzt. Die Kopplung der spekulativ produzierten Güter mit den Kundenaufträgen erfolgt erst auf einer der Lagerstufen. Dabei ist es für eine Vielzahl von Gütern durchaus der Fall, dass auch die Warenbewegungen einschließlich aller dabei anfallenden Logistikaktivitäten bis an eine abnehmenahe Lagerstufe (Einzelhandel) ausschließlich prognosegetrieben erfolgen. Die direkte Kopplung von Endkunden- und Fertigungsauftrag entfällt vollständig. Die Auftragsabwicklung reduziert sich auf Lagerentnahmen sowie auf einen Austausch von Nachbevorratungsaufträgen zwischen Hersteller, Zentrallager und Großhandel. Es wird auch vom Lieferauftrag gesprochen. Zwischen den zwei oben genannten Typen der Auftragsabwicklung existiert ein Kontinuum von Mischformen. So ist es denkbar, die Vorproduktion als kundenauftragsanonyme Massenfertigung zu organisieren und die nachfolgende Montage davon entkoppelt kundenauftragsbezogen zu steuern. Es ist weiterhin möglich, die Produkte nur bis auf die Zentrallagerebene prognosegetrieben durch die Wertschöpfungskette zu schieben und für die Feinverteilung in die Regionen das Eintreffen der Kundenaufträge abzuwarten.
2. Ziele der Auftragsabwicklung
Die Auftragsabwicklung verfolgt als Herzstück der betrieblichen Leistungserstellung eine breite Palette von Zielen. Dominierend sind die Gewährleistung einer definierten Produktverfügbarkeit, die Senkung der Auftragsabwicklungskosten sowie die Erhöhung des Betriebsmittelnutzungsgrads. Daraus resultiert ein Gestaltungs Trade-Off, dessen Optimierung im Mittelpunkt der Reorganisation der Auftragsabwicklung steht. Der Trade-Off entsteht aufgrund der Konkurrenz des Lieferservice- und des Kostensenkungsziels. Üblicherweise ist eine harmonische Verfolgung beider Ziele nicht möglich, da die vom Kunden akzeptierten --> Lieferzeiten kürzer sind als die zur (Re-) Produktion benötigten Durchlaufzeiten. Es entsteht eine Durchlaufzeitlücke, die durch eine spekulative Produktion auf Lager und damit durch Bestände gefüllt werden muss. Weiterhin bedingen kurze Wiederauffüllungszeiten in der Versorgungskette kleine Losgrößen in der Fertigung, damit auf Nachfrageschwankungen schnell reagiert werden kann. Kleine Losgrößen senken infolge der ansteigenden Sortenwechselkosten anderseits jedoch die Betriebsmittelauslastung.
Jenseits einer solchen grundsätzlichen Zielbestimmung ist es durchaus möglich, für das Produktgeschäft spezifische markt- und objektbezogene Ziele der Auftragsabwicklung zu identifizieren. Produkte bzw. Märkte, die mit diesen Produkten bedient werden sollen, stellen bestimmte Anforderungen an die Eigenschaften der Auftragsabwicklung und determinieren damit die Gestaltungsziele. Aus dieser Perspektive können „funktionale", auch als Neo-Bulk bezeichnete Produkte, z. B. Güter des täglichen Bedarfs wie Dosensuppen oder Waschmittel einerseits und „innovative" Produkte, wie z. B. modische Kleidung oder Eventartikel andererseits unterschieden werden. Funktionale und innovative Produkte unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht, wie die nachfolgenden Kriterien zeigen: Nachfrageverhalten (stabil versus kaum planbar), Deckungsbeitrag pro Produkt (gering versus hoch), Produktlebenszyklus (lang versus kurz), Anzahl Varianten (gering versus sehr viele), erkannte Prognosefehler nach Anlauf der Fertigung (ausnahmsweise versus fast immer), Stock-Out-Quote (minimal versus hoch), zu gewährende Preisabschläge, um Obsoleszenzen zu vermeiden (nie versus regelmäßig). Die Kriterien machen deutlich, daß funktionale und innovative Produkte grundsätzlich verschiedener Zielsetzungen in der Ausgestaltung der Auftragsabwicklung bedürfen, die als „operativ effizient" versus „reaktionsschnell" bezeichnet werden sollen. Die Konsequenzen durchziehen die komplette Wertschöpfungskette.
3. Instrumente der Auftragsabwicklung
Im Verlauf der Auftragsabwicklung werden große Datenvolumina in den Unternehmen bearbeitet sowie zwischen den Partnern in der Wertschöpfungskette ausgetauscht. Insbesondere für Unternehmen mit einer geringen Fertigungstiefe, wie etwa Handels- und Logistikunternehmen, hat die Effizienz der Datenverarbeitung daher eine herausragende Bedeutung. Zum Einsatz kommen folgende Instrumente: Electronic Data Interchange - EDI: Zur Übermittlung der Auftragsdaten kann auf international standardisierte Nachrichtenformate zurückgegriffen werden, die entweder branchenspezifisch (ODETTE) oder branchenunabhängig aufgebaut sind. Die vorangeschrittene Normung ermöglicht es, den kompletten Datenaustausch (Produkt-, Auftrags-, Auftragsstatus-, Transport- sowie Abrechnungsinformationen) über solche akzeptierten Schnittstellen abzuwickeln. Electronic Commerce: Über den Einsatz des Internet ist es möglich, einen Teil der administrativ-kaufmännischen Auftragsabwicklung in einem direkten, EDV-gestützten Dialog mit dem Kunden abzuwickeln und dabei auf fertige Standards zurückgreifen zu können. Das beinhaltet die Übermittlung und Einlastung des Auftrages in das EDV-System des Unternehmens sowie die Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Im Extrem erfolgt die komplette Kommunikation zwischen Kunde und Unternehmen vollständig und über die gesamte Dauer der Kundenbeziehung ausschließlich über diese Schnittstelle. Prognosesysteme: Unternehmen mit anonymer Auftragsabwicklung sind zur Planung und Steuerung der eigenen Produktion auf eine Prognose der Nachfrage nach Fertigprodukten angewiesen (—* Prognoseverfahren). Integrierte Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme beinhalten üblicherweise Module zur Bedarfsprognose. Distribution Requirements Planning - DRP: In Distributionssystemen mit mehreren Distributions- und Lagerstufen ist es erforderlich, die in einer Periode erzielten Abverkäufe auf den einzelnen Stufen in die zentrale Produktionsplanung einfließen zu lassen. DRP-Systeme leisten eine solche Bedarfsverdichtung. Produktionsplanung- und Steuerung (PPS, MRP): Die Abwicklung des Kundenauftrags erfordert eine —> Kapazitätsplanung, eine --> Materialbedarfsplanung, eine Terminplanung sowie eine Auftragsfreigabe und Produktionssteuerung. PPS-Systeme decken diese Funktionsbereiche ab. Warenwirtschaftssysteme (WWS): Die Auftragsabwicklung auf den Handelsstufen reduziert sich auf die Auslösung von Aufträgen zur Wiederauffüllung der Bestände auf ein vordefiniertes Niveau. Wenn es gelingt, die Lagerauffüllungen am POR (-> Point of Receipt) sowie die Lagerabgänge am POS (—* Point of Sale) zu protokollieren, können Warenwirtschaftssysteme den Replenishment Cycle automatisieren.
4. Probleme und Optimierungsansätze der Auftragsabwicklung
Die Suche nach Optimierungsansätze ist infolge der zentralen Bedeutung der Auftragsabwicklung für den Unternehmenserfolg traditionell ein Schwerpunkt der betrieblichen Rationalisierung. Die Diskussion um das Konzept des --> Supply Cham Management hat eine fruchtbare Erweiterung des Optimierungsrahmens erbracht. Wurden Verbesserungsansätze traditionell am Arbeitsplatz und innerhalb der Abteilung gesucht, hat die koordinationsorientierte Logistik zunächst eine Erweiterung auf das Gesamtunternehmen gefordert. Maßstab dafür sind die zu minimierenden Totalkosten des Unternehmens. Verdienst des Supply Chain Managements ist es, die Betrachtung auf alle am Wertschöpfungsprozess teilnehmenden Unternehmen zu erweitern und damit die Perspektive für eine wertschöpfungsstufenübergreifende Rationalisierung zu öffnen. Das Ziel ist dementsprechend ‚ die „Supply Chain Costs" und nicht die „Company Costs" zu minimieren.
Folgende Gestaltungsbereiche sind erkennbar:
4.1 Gestaltungsbereich: „Koordination bei der Auftragsabwicklung“
Probleme: Wie in empirischen Studien nachgewiesen werden konnte (AustinlLee/Kopczak), führt die mangelhafte Koordination zwischen Funktionalbereichen im sowie zwischen den Unternehmen der Wertschöpfungskette zu Problemen, die sich gravierend auf die Betriebsergebnisse aller Teilnehmer auswirken. — (1) Verzerrung von Nachfrageimpulsen: Die über die Wertschöpfungskette bis an das Fertigungsunternehmen herauffließenden Kundenaufträge werden durch die Akteure in zeitlicher und quantitativer Hinsicht systematisch und mehrfach verzerrt, was dazu führt, daß die Kurven von Konsum- und Produktionsverlauf kaum noch zur Deckung kommen. Soweit ein Hersteller keinen -* Direktvertrieb unterhält, sind Informationen, welche Produkte wann in welchen Mengen vom Endkunden nachgefragt werden, für dessen Bedarfsplanung nicht verfügbar. Ursache der Impulsverzerrungen ist eine ökonomisch begründete Bildung von Einkaufs- und Fertigungslosen (-+ Losgröße) auf den Handelsstufen. Eine ursprünglich gleichmäßig verlaufende Endproduktnachfrage wird damit bereits auf der ersten Handelsstufe in ein diskontinuierliches Signal umgewandelt (—> ForresterAufschaukelung). Eine Verstärkung nach gleicher Logik erfolgt auf der nächsten Konsolidierungsstufe (Großhandel oder Zentrallager des Handels oder des Hersteller). Die Aufschaukelung verursachen viele Probleme: Zunächst wird das herstellende Unternehmen mit starken Nachfrageschwankungen konfrontiert, die eine gleichmäßige Kapazitätsauslastung und stabile und „erschütterungsfreie" Fertigungsabläufe verhindern. Die Schwankungen erschweren die saisonale Kapazitätsplanung, da aus Sicht des Herstellers kaum nachvollziehbar ist, welcher Anteil der Schwankungen nachfragebedingt und welcher künstlich erzeugt ist. Weiterhin wird die Bestandssituation in der Versorgungskette intransparent. Es ist schwer rekonstruierbar, welcher Auftragsbestand sich bereits in der Pipeline befindet und damit bereits als disponibler Lagerbestand (—* Lagerbestand, disponibler) geführt werden kann. Drittens verursachen periodisch schwankende Bestellmengen hohe Bestände.
Bestellkoordination: Insbesondere auf Märkten mit kurzlebigen Produkten (z. B. PC-Industrie) ist es für alle Akteure in der Versorgungskette von großer Bedeutung, neu eingeführte Produkte schnell ausliefern und damit Premiumpreise realisieren zu können. Es kann empirisch gezeigt werden (AustinlLeefKopczak), daß eine mangelnde Koordination des Bestellverhaltens der Akteure in diesen Situationen zu Lieferengpässen, Lagerbeständen und Obsoleszenzen und erhöhten administrativ-kaufmännischen Kosten der Auftragsabwicklung führt (-> Phantombestellung).
Bedarfsplanung und Prognose: Die in der Versorgungskette stromaufwärts liegenden Akteure sind infolge der großen „Entfernung" vom Markt gezwungen, die Bedarfs-und Produktionsplanung ausschließlich auf die verzerrten Nachfrageimpulse der jeweils vorgelagerten Wertschöpfungsstufe basieren zu müssen. Weiterhin erfolgt die Prognose der Nachfrage auf den einzelnen Stufen üblicherweise isoliert voneinander, so daß die Erreichung des Zieles eines über die gesamte Kette optimierten Bestandes unwahrscheinlich wird. Bestandsintransparenz: Die lediglich lokal, das heißt auf das Unternehmen beschränkt agierenden EDV-Systeme zur Auftragsabwicklung sind nicht in der Lage, die Bestandssituation in der gesamten Versorgungskette vom Hersteller bis an die Einzelhandelsstufe abzubilden und in die operative, kurzfristige Dispositionsarbeit einfließen zu lassen. Die Folge dieser Bestandsintransparenz sind Fehldispositionen, die in Unter- und Überversorgung münden.
Produktionssteuerung: In der Versorgungskette entstehen Bestände und verlängerte Durchlaufzeiten, wenn Lieferanten und Hersteller mit unterschiedlichen Losgrößen und Reihenfolgeprioritäten bei der Auftragsabwicklung arbeiten. Mengen- und Zeitpuffer werden aufgebaut, um die unabhängige Optimierung der lokalen Pläne zu ermöglichen (-+ Lagerfunktion). Die downstream ausgelösten Bedarfsveränderungen sollen die Ausführung des lokal optimierten Planes nicht beeinträchtigen. — b)
Optimierungsansätze bei der Auftragsabwicklung:
ERP- Systeme: Verbesserte Koordination setzt die Einsicht der Partner in die Notwendigkeit kooperativen Verhaltens sowie eine technische Basis zur koordinierten Verarbeitung der Auftragsabwicklungsdaten voraus. Letzteres soll die Einführung von Enterprise Resource Planning Systemen (ERP) (—> Enterprise Resource Planning) sicherstellen. Folgende Effekte werden erwartet: Bestandssenkung über alle Lagerstufen infolge der verbesserten Nachfrage-, Bestands- und Liefertransparenz. ERP-Systeme ermöglichen allen planenden Abteilungen einen Zugriff auf einen zentralen Datenbestand mit Informationen über die tatsächliche Nachfrage der Endkunden. Prognosen können auf unverzerrten und aktuelleren Daten basieren. Weiterhin protokollieren ERP-Systeme Warenbewegungen über die gesamte Pipeline mit dem Effekt verbesserter Bestandstransparenz. Sich noch im Zulauf befindende Warenströme werden bereits als disponibler Lagerbestand behandelt und sind zuteilbar. ERP-Systeme sollen weiterhin Verbesserungen des Lieferservice sicherstellen. Veränderungen der Endproduktnachfrage erreichen den Hersteller unmittelbar und münden schneller in eine aktualisierte Produktionsplanung. Auf sich abzeichnende Stock-Outs auf den Handelsstufen kann schneller reagiert werden. Weiterhin beseitigen ERP-Systeme die Schwächen der funktionalbereichs- und unternehmensunabhängigen, engpaß- und bestandsunabhängigen sowie sukzessiv optimierenden Produktionsplanung durch ein zentrales, simultanplanungsfäluiges und engpaßorientiertes Planungsverfahren. Der Fulfilment Flow soll über alle Unternehmensbereiche und Wertschöpfungsstufen durch einen einzigen abgestimmten Satz von Plänen gesteuert werden. (2) Kooperative Investition, Planung und Ausführung: Neben der verbesserten technischen Basis wird in einer veränderten, kooperativen Verhaltensweise der Akteure ein weiterer Schlüsseln zur Lösung der Probleme gesehen. Kooperativ bedeutet, gemeinsame Bedarfsprognosen zu erstellen, die Fertigungs- und Wiederauffüllungsaufträge in enger zeitlicher Abstimmung (Taktung) auszuführen sowie die Dimensionierung der Fertigungs-, Lagerhaltungs- und Transportkapazitäten auf mittlere Sicht gemeinsam zu planen.
Die Vision ist die Verwirklichung eines virtuellen Unternehmens über alle Wertschöpfungsstufen. Folgende Effekte werden erwartet: Senkung der Herstellungskosten durch die verbesserten Möglichkeiten, eine gleichmäßig verlaufenden Produktion zu planen (--> Production Leveling) sowie durch das sinkende Volumen von Eilaufträgen, sinkende Bestände und weniger Obsoleszenzen durch die Verhinderung von —> Phantombestellungen sowie durch die Reduzierung des Volumens der —* Forrester-Aufschaukelungen, Verbesserung des Lieferservice durch die Möglichkeit, ein vergrößertes Quantum an Know-how über den Endkunden, wie etwa saisonale Veränderungen des Nachfrageverhaltens, in die gemeinsame Prognose einfließen zu lassen. Die engere zeitliche Abstimmung in der Ausführung der Fertigungsaufträge führt weiterhin zu sinkenden Beständen an der Schnittstelle zwischen Hersteller und Lieferant sowie zu sinkenden Transaktionskosten, wenn getriggerte Produktionsabrufe etabliert werden. Die angestrebte kollaborative Investitionsplanung senkt die Herstellungskosten durch die verbesserten Möglichkeiten zum Produktionsieveling sowie, falls es auch zu gemeinsamen Investitionen kommt, durch die verminderte Neigung der Handelspartner, Bedarfe über „kanalfremde", dritte Hersteller zu decken. Es kommt zu einer Risikopolung. Weiterhin kann eine Verbesserung des Kundenservice erwartet werden, da die gemeinsame Kapazitätsplanung die Entschärfung von Kapazitätsengpässen entlang der Wertschöpfungskette fördert.
4.2 Gestaltungsbereich: „Automatisierung des Order Management und Impulsreduktion bei der Auftragsabwicklung“
Probleme: Die Effizienz der administrativ-kaufmännischen Bearbeitung des Auftrags hat insbesondere in Unternehmen mit geringer eigener Wertschöpfung eine zentrale Bedeutung. In Logistikdienstleistungsunternehmen kann etwa davon ausgegangen werden, dass die papiermäßige Bearbeitung des Auftrages bereits 15 bis 20% des Erlöses verschlingt. Die erkennbare Tendenz sinken- der Bestell- bzw. Sendungsgrößen verschärft die Problematik des Verhältnisses von Auftrags- und zu beherrschendem Papiervolumen zukünftig noch weiter. Optimierungsansätze: Kostensenkungsbeiträge leistet ein verstärkter EDV-Einsatz mit dem Ziel, den Anteil der elektronischen Transaktionen mit den Partnern zu erhöhen. Das kann auf den gesamten erforderlichen Informationsaustausch der Auftragsabwicklung, wie etwa den Austausch von Angebotsdaten, von Produktdaten, von Rechnungsdaten oder auch von Auftragsstatusdaten bezogen werden. Weitere Kostensenkungen sind durch die Realisierung impulsloser oder impulsreduzierter Transaktionen möglich: Gutschriften werden automatisch erstellt, wenn Produkte aus Kommissionsiagem entnommen werden, Nachbevorratungsaufträge werden automatisch erzeugt und an den Lieferanten übertragen, wenn ein definierter Lagerbestand unterschritten wird, wechselseitige Forderungen werden über eine Clearingverfahren periodisch saldiert.
4.3 Gestaltungsbereich: „Stufigkeit der Distributionskette und Kompression bei der Auftragsabwicklung“
Probleme: Die Akteure auf den einzelnen Stufen der Distributionskette übernehmen jeweils bestimmte Aufgaben, wie etwa die Vorhaltung von Beständen, die Aussortierung oder den Kontakt zum Endkunden. Daneben verursacht jedes zusätzliche Element in einer Versorgungskette jedoch auch zusätzliche Probleme: Auf jeder Stufe in der Distributionskette werden üblicherweise Lagerbestände aufgebaut, die die „Total Channel Costs" aufblähen. Die Akteure auf den Distributionsstufen verzerren weiterhin Nachfrageimpulse und erschweren damit eine rasche Marktversorgung sowie eine effiziente Produktionsplanung. Die „Zwischenakteure" generieren Profite, die aus Sicht des Herstellers oder des Einzelhandels das Produkt unnötig verteuern. Untemehmensexterne Akteure auf den Handelsstufen blockieren weiterhin den unmittelbaren Zugang des Herstellers zum Markt.
Optimierungsansätze: Institutionale Reorganisation: Teile der oben genannten Problematik können durch eine Veränderung des institutionalen Arrangements gelöst werden. Aus Sicht des Einzelhandels kann das eine Rückwärtsintegration bzw. das Überspringen der Großhandelsstufe bedeuten, aus Sicht der Industrie der raschen Weiterentwicklung des Electronic Commerce entsteht eine neue Basis, auf der Direktvertriebe etabliert werden können, in denen die realisierbaren Kostensenkungspotentiale nicht in dem traditionell bekannten Umfang mit Erlöseinbrüchen durch mangelnde Marktbearbeitung aufgewogen werden müssen.
4.4 Gestaltungsbereich: „Produktdesign bei der Auftragsabwicklung“
Probleme: Die konstruktive Gestaltung des Produkts kann die Umsetzung logistischer Rationalisierungsansätze behindern. Das gilt insbesondere für die Möglichkeit, über —* Postponement Bestände zu senken und den Lieferservice zu verbessern. — b) Optimierungsansätze: „Design for Postponement" versucht, über das (Re-) Design, eine —* Modularisierung der Produktstruktur Postponement, das heißt eine Entkoppelung von anonymer Massenfertigung und auftragsspezifischer Endbearbeitung, zu ermöglichen.
4.5 Gestaltungsbereich: „Kostenrechnung/Controlling bei der Auftragsabwicklung“
Probleme: Die Anwendung traditioneller Kalküle, wie etwa der Losgrößenberechnungen für Einkauf und Fertigung oder der Frachtoptimierung resultiert aus Sicht der gesamten Wertschöpfungskette in der Realisierung lediglich lokal gültiger Optima.
Optimierungsansätze: Die wertschöpfungsstufenübergreifende Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines bestimmten Gestaltungszustandes bzw. einer geplanten Reorganisationsmaßnahme erfordert eine sachliche sowie institutionale Ausdehnung des verwendeten Wirtschaftlichkeitsmaßstabs. In institutionaler Hinsicht ist ein Wechsel von den „totalen Kosten des Unternehmens" auf die „totalen Kosten der Wertschöpfungskette" erforderlich. Damit eng verbunden ist die Frage der Verteilung von Kosten und Erlösen bzw. der Kompensation zwischen den Akteuren. In sachlicher Hinsicht ist das kettenweit zu optimierende Kalkül um zusätzliche Kostenarten zu ergänzen. Zu nennen sind Obsoleszenzkosten sowie Deckungsbeitragsverluste durch lieferverzugsbedingte Preisabschläge und Stock-Outs. Unterstützend wirkt die Ermittlung funktional sowie institutional übergreifend wirksamer Kennzahlen wie --*"Time to Market" oder —>"Time to Serve". Zukünftige Entwicklungen: Die Rationalisierungs von Versorgungsketten baut häufig auf der Realisierung des --> Pull-Prinzips auf, demzufolge Produkte in der Taktung des Kundenbedarfes in die Kette eingespeist werden. Die Pull-Organisation endet in der Praxis üblicherweise jedoch am Ende der Wertschöpfungskette in den Regalen des Einzelhandels, in denen die Endprodukte kundenanonym vorgehalten werden. Dort entstehen zwangsläufig Lager- und Obsoleszenzkosten durch die erforderlichen spekulativen Regalaufilillungen sowie durch Erlösausfälle bei Stock-Outs. Die Situation wird verursacht durch eine mangelnde Integration der Bedarfs- bzw. Konsumplanung sowie der Bestandssituation des Endkunden in die Lieferkette. Eine zukünftige Lösung kann in einem Ausbau des —* Home Shopping[Home Delivery gesehen werden. Home Shopping kann den Aufbau von Beständen sowie das Stock-Out Risiko durch auf Initiative des Kunden ausgelöste Heimlieferungen vermindern. Die in den Outlets vorgehaltenen Bestände können in eine zentralere Lagerstufe mit den entsprechenden Vorteilen für deren Effektivität verschoben werden. Eine solches Verfahren bedarf natürlich einer massiven Umstellung der Konsumentengewohnheiten. Eine noch engere Integration des Endkunden ermöglicht der Ubergang vom Point of Sale zum Point of Use. Beschaffung und Konsum fallen, begründet durch Losbildungsüberlegungen i.d.R. zeitlich auseinander. Die POS-Informationen ergeben daher noch keine validen Konsuminformationen. Eine Verbesserung entsteht durch Integration des Konsumprozesses in die Informationskette zwischen Kunde, Handel und Hersteller. Instrumente dazu sind lagerbestandsführende, konsumprotokollierende und automatisch nachbestellende Systeme am Ort des Verbrauches. In industriellen Montageprozessen kann das ein Verbrauchsmelder für C-Teile (ABC-Analyse) sein, im Pharmabereich eine Lagerbestandsführung auf den einzelnen Stationen und in den Behandlungsräumen eines Krankenhauses und in privaten Haushalten ein intelligenter Kühlschrank, der Verbräuche protokolliert und Nachbevorratungen auslöst.